St.-Ulrich-Kapelle in Weischlitz
Droben stehet die Kapelle
Wer mit der Bahn von Plauen an der Elster aufwärts fährt, etwa in die sächsischen Staatsbäder, nach Eger oder in die böhmischen Bäder, den grüßt in Weischlitz seit dem Jahr 1931 von der Höhe herab die kleine katholische Kapelle St. Ulrich.
Vorgeschichte
Wie am Ende des 19. Jahrhunderts kommen auch in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg Arbeitsuchende vor allem aus Bayern ins sächsische Vogtland. Damit steigt auch in den Landgemeinden, die zur Pfarrei Plauen gehören, die Zahl der Katholiken wieder an, die seelsorgerisch betreut werden wollen. Dies trifft vor allem für den Raum um Weischlitz zu. So beginnen Lehrer der Katholischen Schule Plauen im Jahr 1919 mit regelmäßigem Religionsunterricht in Weischlitz. Ab September 1925 werden auch „Missionsgottesdienste“ - wie es hieß - im Gasthof Oberweischlitz gefeiert. Meist zu Fuß kommen die Gläubigen auch aus Schwand, Geilsdorf, Kürbitz und Pirk oder von den Höhen um den Burgstein. Ein Zelebrant ist auch Albert Erdle, der im gleichen Jahr als Kaplan aus dem Bistum Augsburg nach Plauen kommt. Da er die Not hier sieht und sein Herz für die Diaspora schlägt, soll seine Arbeit über sechs Jahre in unserer Gemeinde reiche Früchte tragen. Neben der Errichtung des Kolpingheims in Plauen ist sein Ziel, in Weischlitz einen würdigen Gottesdienstraum zu schaffen. Ein Grundstück an der Schwander Straße, auf dem eine Kapelle gebaut werden soll, wird vom Gutsherren gekauft.
Kapellenbau & Weihe
Nach unermüdlicher Sammeltätigkeit Erdles vor allem in seiner Heimatdiözese kann der Bau beginnen. Von den 30 000 Mark Baukosten sammelt Erdle 13 000 Mark, 7000 kommen vom Bonifatiusverein.
Nach dem ersten Spatenstich am 4. Mai 1931 weiht Erzpriester Scheuring, Oelsnitz, am 10. Mai den Grundstein mit einer Urkunde von Pfarrer Kurze, Plauen. Dabei singt auch der Kirchenchor.
Der Bau wächst rasch empor, etwa zwölf Arbeiter sind ständig tätig, und wird unvorstellbar schnell zu Ende gebracht. Die kleine Glocke für den Dachreiter, eine Stiftung des Sohnes von Fabrikant Albert Schwarz, wird, festlich geschmückt, nach dem letzten Gottesdienst im Gasthof am 30. August gesegnet. Sie ist gegossen in Lauingen, wiegt 85 kg und trägt eine Inschrift.
Die feierliche Benediktion der Kapelle wird im gleichen Jahr am 13. September vollzogen. Diese nimmt wieder Erzpriester Scheuring vor. Eine große Gemeinde versammelt sich um den Altar vor der Treppe zur Kapelle, geschmückt mit Blumen, Grün, Girlanden und Fahnen. Vereinsbanner werden getragen. Das anschließende Levitenamt feiert Pfarrer Kurze, Plauen, assistiert von Kaplan Essel und Pater Justinus, der kurzzeitig in der Pfarrei aushilft. Die Predigt aber hält der Initiator des Baus, der nunmehrige Landessekretär des Bonifatiusvereins für Bayern und die Pfalz Albert Erdle, sicher sehr zu seiner eigenen wie zur Freude der Festgemeinde. Als Geschenk übergibt Erdle ein Reliquiar mit einer Reliquie des Hl. Ulrich von Augsburg, ein Stückchen vom Messgewand, in dem der Heilige vor ca. 1000 Jahren begraben wurde.
Zur eigenen Gemeinde gesellen sich viele Gäste aus Nachbargemeinden mit ihren Priestern, Vertreter der evangelischen Kirche. Auch Bürgermeister Puffe und Baumeister Arno Steinhäuser, beide Weischlitz, sind anwesend. Nach einem Mittagessen im Gasthof folgt eine weltliche Feier in der Turnhalle mit musikalischen Darbietungen des Cäcilien-Orchesters und -Chores unter der Leitung von Kantor Nitzsche. Eine Festrede hält der Redemptoristenpater Hollman, Eger.
Religiöse Heimstätte für heute etwa 120 katholische Christen
Seit nunmehr 75 Jahren versammelt sich in dem liebgewordenen Kapellenbau, der mehrmals im Inneren umgestaltet wurde, die Gemeinde aus dem Raum Weischlitz früher aller zwei Wochen, seit 12 Jahren wöchentlich. Aber immer wieder zieht zu bestimmten Festen die Plauener Gemeinde hinaus zur Kapelle, z.B. zum Ulrichsfest am 4. Juli oder zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August. Oft schon nächtigten eigene Jugendliche oder Gruppen aus anderen Gemeinden an der herrlich gelegenen Kapelle. Unvergesslich wird der Besuch von Gästen aus Neustadt an der Waldnaab und von St. Konrad, Hof, mit Pater Singer zu Fronleichnam 1989, also vor der politischen Wende, bleiben. Gern gesehen sind auch in den letzten Jahren Gäste aus St. Ulrich bei Steyr mit Bürgermeister Aigner.
Eine wichtige Aufgabe erfüllen für eine Kapelle und Gemeinde, wo kein Priester am Ort wohnt, die Küster. Ihre Namen seien, wenn vielleicht auch nicht vollständig, hier genannt, verbunden mit einem herzlichen „Vergelt’s Gott“: am Anfang Frau Jahn und Frau Wunderlich aus Geilsdorf, dann Herr und Frau Bauer aus Weischlitz, es folgten Frau Werner, Weischlitz und ab 1965 Herr Barnert, Kürbitz und seit Oktober 1995 Herr und Frau Degner aus Weischlitz.
Gute ökumenische Kontakte bestehen seit Jahren auch zur Evangelischen Gemeinde Kürbitz.
Erwähnenswert sind auch die Aktivitäten von Frau Liselotte Polenz aus Weischlitz, die mit ihren Kontakten zum Österreichischen Rundfunk und zu St. Ulrich bei Steyr den Anstoß gab zu den Friedenslichtaktionen. Seitdem holte unsere Pfarrei schon zehnmal vor Weihnachten das Friedenslicht aus Bethlehem von Linz ins Vogtland.
Auszug aus der Festschrift „75 Jahre St.-Ulrich-Kapelle Weischlitz"
St. Ulrich
ein großer Bischof in schwerer Zeit
Ulrich kommt im Jahr 890 im schwäbischen Wittislingen bei Dillingen zur Welt. Seine Eltern, Graf Upald v. Dillingen und Thietburga, eine schwäbische Herzogstochter, wollen ihm eine gute wissenschaftliche und geistliche Ausbildung sichern und schicken ihn in das berühmte, bereits 300 Jahre segensreich wirkende Kloster St. Gallen. Nach Studien in Grammatik, Arithmetik, Logik und Heiliger Schrift, aber auch Musik und Baukunst empfängt er vermutlich dort auch die Priesterweihe. Er wählt aber nicht den Weg ins klösterliche Leben, sondern geht zu seinem Oheim, dem Bischof Adalbero von Augsburg. Mit der Vermögensverwaltung des Bistums betraut, lernt er auch die verschiedenen Seiten des bischöflichen Amtes kennen, das in der damaligen Zeit mehr politische als seelsorgerische Bedeutung hat. Nach dem baldigen Tod seines Onkels wird er, auch von Papst Sergius III., gedrängt, als Neunzehnjähriger das Bistum zu übernehmen. Er aber traut sich die Aufgabe noch nicht zu und lehnt ab. Ebenso verweigert er jeden Dienst beim Nachfolgerbischof Hiltin. Ulrich verwaltet jetzt die väterlichen Güter.
Bischof im Heimatbistum
Erst nach Hiltins Tod 923 wird Ulrich zum Bischof von Augsburg geweiht. Doch Stadt und Land sind schwer verwüstet vom Einfall der Hunnen, die Bewohner weit in die Wälder und Berge geflohen. Es gilt zuerst, Städte und Dörfer wieder aufzubauen und die Bevölkerung zu sammeln. In Jahren politischer Ruhe bleibt ihm Zeit, Augsburg und andere Städte mit Mauern zu sichern und Vorratshäuser zu bauen und sich der Seelsorge zu widmen und sein Bistum zu organisieren.
Krieg und Verwüstungen
Doch die Zeit des Segens und des Friedens geht jäh zu Ende, als sich des Königs (Otto I.) Sohn und der Schwiegersohn 953 gegen ihn erheben. Der Krieg dringt von der Maas bis an den Main vor. Franken, Schwaben und Bayern fallen in die Hände der Feinde. Ein Jahr später dringen dazu noch die Ungarn ins Land vor. Bayern wird besetzt, Augsburg mehrfach bedroht. Zu den entscheidenden Schlachten kommt es im August 955. Das Königsheer und die Mannen des Bischofs unter Ulrichs Führung, in vollem Ornat zu Pferde, gewinnen die Schlacht auf dem Lechfeld südlich von Augsburg am 9. August. Die Ungarn sind für immer geschlagen. Die Völkerwanderung geht zu Ende.
Frieden und geistliche Erneuerung
Nach unsäglichen Verwüstungen in den letzten Jahren muss der Wiederaufbau im Land neu beginnen. Dazu schenkt Gott dem Bischof noch viele Jahre, um auch an die geistliche Erneuerung im Bistum zu gehen. Er fördert die Wiederbelebung des benediktinischen Geistes in den Klöstern und Gemeinschaften, die von Cluny in Burgund und Einsiedeln in der Schweiz ausgeht. Auch die Organisation des Bistums und die geistliche Ausrichtung der Priester ist Ulrich ein wichtiges Anliegen bei Firmungsreisen, in Dekanats- und Diözesanversammlungen.
Die letzten Jahre seines Lebens verbringt Ulrich im Mönchskleid Benedikts im Gebet, während sein Neffe eine Zeitlang unrechtmäßig seinen Bischofsstab trägt.
Sanft entschläft der 83jährige am 4. Juli 973. Bei seiner Beisetzung in der St.-Afra-Gruft auf dem ehemaligen römischen Friedhof Augsburgs betet sein Freund Wolfgang von Regensburg, der spätere Heilige.
St. Ulrich - Patron von Stadt und Bistum Augsburg
Schon 20 Jahre nach seinem Tod wird Ulrich zur Ehre der Altäre erhoben. Es ist die erste Heiligsprechung durch einen Papst, durch Johannes XV. Nach dem Brand der alten Kirche übertragen Kaiser Barbarossa und drei Bischöfe die Gebeine in die neue, 1187 geweihte Kirche. Auch in der heutigen Kirche St. Ulrich und Afra zu Augsburg, entstanden zwischen 1467 und 1603, ruhen die Gebeine neben denen von St. Afra, gestorben 304, in der Unterkirche im Sarkophag, dessen Deckplatte die Plastik des Heiligen schmückt. Seit über 1000 Jahren wird hier, wie in vielen Ulrich-Kirchen, der große Heilige verehrt.
Dankbares Gedenken an Herrn Prälat Albert Erdle
den Erbauer der St.-Ulrich-Kapelle in Weischlitz
Albert Erdle wurde geboren am 11. August 1901 in Frauenriedhausen und am darauf folgenden Tag in der dem Geburtshaus gegenüber liegenden Pfarrkirche „Mariä Himmelfahrt“ getauft.
Nach den ersten Schuljahren in Frauenriedhausen besuchte er das Gymnasium in Dillingen, absolvierte dort das theologische Studium und wurde in der „Studienkirche“ in Dillingen am 12. Juli 1925 zum Priester geweiht.
Den Ruf aus dem am 21. Juni 1921 wieder errichteten Bistum Meißen hörte er als einen Ruf Gottes in die besondere Diasporasituation – und beantwortete ihn – wie viele andere Theologen und Neupriester – mit seinem Kommen in unser Bistum.
So wurde er Kaplan in der Herz-Jesu-Pfarrei Plauen und wirkte hier von September 1925 bis März 1931 segensreich.
Nach seiner Rückkehr ins Bistum Augsburg wurde er schon am 1. April 1931 Landessekretär des Bonifatiusvereins für Bayern, am 1. Juni 1941 Generalsekretär des Bonifatiusvereins für das katholische Deutschland in Paderborn und vom 1. April 1962 bis 9. Oktober 1971 Geschäftsführender Vizepräsident des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken.
Anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums 1975 sind viele Fotos und sein Leben würdigende Zeitungsartikel erschienen, Auszüge aus der Pfarrchronik Frauenriedhausen bezeugen dies.
Zahlreiche Ehrungen:
- 1949 Päpstlicher Geheimkämmerer (Monsignore),
- 1964 Päpstlicher Hausprälat,
- 1971 Apostolischer Protonotar,
- 1973 Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, die Prälat Albert Erdle erhielt, weisen auf sein weit über Grenzen hinaus reichendes Engagement hin.
Seine schlichte Lebensart, seine spontane Hilfsbereitschaft und seine Liebe zum Bescheidenen wurden von seiner in einem Ortsteil von Lauingen lebenden Nichte, Frau Sigrid Baur, mit vielen Beispielen bestätigt.
Vier davon seien hier aufgeführt:
Wenn Prälat Erdle besuchsweise nach Hause kam, war es ihm eine große Freude, die Kartoffeln für das Mittagessen selbst zu schälen; als einer seiner Mitbrüder im Winter mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor von Dillingen nach Frauenriedhausen zum Gottesdienst kam und auf der schneeglatten Straße stürzte, besorgte ihm Prälat Erdle in kürzester Zeit einen „VW-Käfer“ für seinen seelsorglichen Dienst;
Prälat Erdle pflegte nach dem Mittagessen im elterlichen Haus eine Stunde über die in einer weiten Ebene um Frauenriedhausen liegenden Felder zu laufen und sich anschließend einen ausgiebigen Mittagsschlaf zu gönnen; um seinen blinden Nachbarn in Paderborn mühte er sich liebevoll, hatte also auch über der Fülle von Aufgaben in seinem Dienst den einzelnen Menschen nicht aus dem Blick verloren.
Dass neben der aus vorreformatorischer Zeit stammenden, jetzigen evang.-luth. Stadtkirche „St.Ulrich“ in Schlettau (Krs. Annaberg-Buchholz) nunmehr auch ein katholisches Gotteshaus als einziges im Bistum Dresden-Meißen unter dem Patrozinium des Hl. Ulrich steht, verdanken wir einzig und allein Prälat Albert Erdle.
Seine besondere Liebe zur St.-Ulrich-Kapelle wird deutlich in einem Brief, den er am 8.1. 1979 an Herrn Th. Barnert geschrieben hat
Sehr verehrter Herr Barnert!
Zunächst danke ich Ihnen für Ihre lieben Zeilen und freue mich über die Nachricht von der Restaurierung der „ St. Ulrichskapelle“ in Weischlitz.
Sie können sich denken, dass ich ein Stück meines Herzens dort gelassen habe. Ich hätte dies nicht für möglich gehalten.Ich hoffe, dass ich mir im Laufe des Jahres 1979 alles ansehen kann.
So gilt unser Dank dem am 17. Februar 1983 in Paderborn verstorbenen ehemaligen Kaplan der Plauener Herz-Jesu-Gemeinde Albert Erdle; kleine Zeichen unserer Dankbarkeit haben wir bei unserem Besuch an seinem Grab in Frauenriedhausen am 5. Juli 2006 hinterlegt und seiner im Gebet gedacht.Das „R.I.P.“ am unteren Ende der bronzenen Grabplatte ist unser Wunsch für ihn:
Er, der sich in unruhiger Zeit so sehr eingebracht hat zum Segen für unsere Diaspora, möge von all seinen Mühen ausruhen im Frieden Gottes.